Wegweiser von Gina Schöler: Wie wird man glücklich?

Wegweiser von Gina Schöler: Wie wird man glücklich?

Stell dir zunächst einfach nur die Frage: Was macht mich denn eigentlich richtig glücklich? Und streck die Fühler nach einer Antwort aus. Das ist der erste Schritt, meint Gina Schöler. Die selbst ernannte „Ministerin für Glück“ hat die Suche nach dem Glück zu ihrem Beruf gemacht. Wie man es findet, verrät sie Nele Langosch im Interview.

Und dann?

Gina Schöler: Meist folgen auf die Frage „Was macht mich glücklich?“ ganz automatisch Gedanken wie: Was will ich denn überhaupt? Welche Leute tun mir gut? Wie möchte ich meine Umgebung gestalten? Und während Du das peu à peu herausfindest, lernst Du Dich selbst besser kennen. Und kannst dann entsprechend Deiner Bedürfnisse handeln. Das bedeutet mehr oder weniger auch, dass Du glücklicher wirst.

Wie kann ich mich noch selbst besser kennenlernen?

Es hilft, das Bauchgefühl einzusetzen und die Sinneswahrnehmung zu schärfen. Das hat viel mit Achtsamkeit zu tun. Iss mal wieder mit den Fingern, fühle die Wärme einer heißen Badewanne auf der Haut, koche Dir Dein Lieblingsgericht! Ich versuche, regelmäßig Dates mit mir selbst zu haben. Ich nenne das meinen „Me Day“, also einen Tag oder einen halben Tag, der nur mir gehört. Oft weiß ich noch gar nicht, was ich in dieser Zeit machen möchte, ob ich in die Sauna gehen oder auf dem Sofa sitzen werde. Aber ich bekomme dadurch auf jeden Fall die Möglichkeit, den Computer im Kopf neu zu starten. Um Antworten zu finden und neue Fragen aufzuwerfen. 

Du kennst kein Patentrezept?

Nein. Das persönliche Glück ist so individuell wie wir selbst.Es geht aber mehr um alltägliche Sachen, nicht darum, das ganze Leben umzukrempeln. Ich vergleiche das gerne mit einer Expedition: Du kannst nicht von einem Tag auf den anderen auf den Mount Everest steigen. Zuerst musst Du die Ausrüstung packen, ein gutes Team zusammenstellen und trainieren. Dann machst Du Dich auf den Weg. Vielleicht verstauchst Du Dir den Fuß und musst etwas pausieren. Oder Du nimmst mal die falsche Abzweigung und musst wieder zurück. Aber letztlich geht es immer weiter. Es kann vorkommen, dass man Freundschaften beendet oder seinen Job kündigt. Das ist Teil des Prozesses. Unterm Strich geht es einem aber danach besser als davor. 

Wie hat sich Dein Leben verändert, seitdem Du Glücksministerin bist?

Das „Ministerium für Glück und Wohlbefinden“ entstand 2012 in meinem Studium zur Kommunikationsdesignerin. Ich wusste zunächst nichts über das Thema. Ich habe recherchiert und mich mit verschiedenen Glücksexperten zusammengesetzt, zum Beispiel aus der Psychologie. Seit ich mich so intensiv mit dem Glück beschäftige, hat sich meine Wahrnehmung des Lebens und des eigenen Umfelds stark gewandelt. Heute sehe ich das Glück, das um mich herum ist und auch in mir selbst, viel klarer. Dadurch habe ich eine ganz neue Dankbarkeit und Wertschätzung entwickelt. Und wenn ich etwas Schönes sehe oder mir etwas Schönes passiert, kann ich das auch weitergeben. Ich äußere viel häufiger Sätze wie: „Toll, dass das jetzt so war!“

Was zum Beispiel?

Eine total herzliche zwischenmenschliche Begegnung, zum Beispiel mit der Kassiererin im Supermarkt. Ich sage heute viel eher: „Hey, super, dass Sie so ruhig bleiben und immer ein liebes Wort haben, obwohl es stressig ist.“ Daraus schöpfe ich neue Kraft, was mich auf einer anderen Ebene auch glücklich macht. Das kann man sich wie eine Kette vorstellen. Erst nehme ich Dinge wahr, seien es Sinneseindrücke oder Begegnungen. Wenn ich sie wahrnehme, kann ich sie wertschätzen. Und wenn ich sie wertschätze, kann ich sie wachsen lassen und weitergeben. Ein kleiner Schubs und die Menschen tragen das Glück in ihren Alltag und in ihr Leben hinein. 

Ist das auch Deine Aufgabe als Glücksministerin?

Ich möchte die Menschen auf unterschiedlichste Weise inspirieren. Dazu stelle ich Ideen in den Raum. Zum Beispiel über Facebook, mit einem Glücks-Aushang oder mit Aktionen wie dem Glückskoffer, der an der Straßenlaterne hängt. Öffnet man den Koffer, steht darin: „Nimm Dir raus, was Du brauchst, und lege etwas für den Nächsten hinein.“ Solche Aktionen sollen die Menschen irritieren. Ihre Neugierde für das Thema wecken, sodass sie denken: „Das ist ja witzig. Das fotografiere ich mal und erzähle heute beim Abendbrot davon.“ Ich organisiere noch weitere Mitmach-Aktionen, zum Beispiel Brieffreundschaften. Es ist total toll zu sehen, wie die Menschen die Ideen weiterspinnen. Da kann ein richtig kleines Lauffeuer entstehen. Ich liefere nur die Anstiftungen dazu. 

222 solcher Anstiftungen zum Glücklichsein hast Du in einem Buch zusammengetragen. 

Auch diese Ideen sind aus einer Mitmach-Aktion entstanden. Ich habe Menschen zum Beispiel über Facebook animiert, ihre persönlichen Glücksgeschichten einzuschicken. Und es hat sich keine Geschichte geglichen. Die Palette war so bunt! Ich gebe bewusst keine Glücksrezepte vor, weil ich ja nicht weiß, was Dir persönlich hilft. Eine Aktion, die für den einen vielleicht selbstverständlich ist, ist für den anderen ein riesiger Schritt aus der Komfortzone heraus. Ich habe aber auch schon zwei Menschen angestiftet, eine Fallschirmsprung zu machen. Das hatten sie schon länger vor und weil die Idee im Buch stand, sind sie es endlich angegangen. Manchmal braucht es nur ein kleines Kitzeln, damit man in die Pötte kommt. 

Macht es also glücklich, die Komfortzone zu verlassen?

Nicht immer, nicht jeden Tag. Die Komfortzone ist super. Sie ist gemütlich und sicher. Es hilft aber bestimmt, sich selbst immer wieder herauszufordern. Sei es beruflich, sozial oder im Alltag. Dabei kann man etwas Neues lernen, bisher fremde Leute treffen und sich vielleicht sogar selbst etwas beweisen. 

Erlebst Du das auch persönlich?

Auf jeden Fall. Ich kenne Situationen gut, in denen ich Angst habe, zum Beispiel wenn ich einen Vortrag vor vielen hundert Leuten halten soll. Dann atme ich ein Mal tief durch und frage mich: Was kann schon schiefgehen? Das Schlimmste wäre, dass ich auf der Bühne auf die Nase falle und alle lachen. Aber dann hätte ich erreicht, was ich will: dass alle lachen!

Man sollte akzeptieren, was kommt?

Ja. Das Leben ist ein Fluss. Wenn Du ständig dagegen anschwimmst, ist es unfassbar anstrengend. Wenn Du aber loslässt und die Wellen reitest, kann ziemlich viel Cooles passieren. Auch wenn Dir das Wasser bis zum Hals steht. Deshalb lautet meine Glücksformel auch: „Veränderung (zulassen)“.

Wärst Du ganz offiziell Glücksministerin, was würdest Du dann machen?

Ich würde zunächst dafür sorgen, dass ständig jemand vom Ministerium bei allen politischen Sitzungen, Diskussionen und beim Abschluss von Verträgen dabei wäre, um zu sagen: Hört mal zu! Macht das, was wir beschließen, die Bevölkerung wirklich glücklicher? Und wenn die Antwort „Nein“ wäre? Dann würde ich ein Veto einlegen.

Interview: Nele Langosch