Ein neues, beliebtes Ministerium

PROJEKT Zwei Design-Studierende stellen die nächste große Frage – die nach dem Glück

„Europa hat seine lange Leidenszeit beendet“, hieß es am Mittwoch in der Nachrichtenagentur dpa. Es ging nicht etwa um eine Rückschau auf das Kriegsende, sondern um die geschätzten Vierteljahreszahlen der Wirtschaftsleistung. Die stiegen erstmals seit sechs Quartalen wieder leicht um 0,3 Prozent zum Vorquartal, auch dank eines Wachstums in Deutschland.

Diese allgegenwärtige Überhöhung des Wirtschaftswachstums war mit ein Anstoß für eine Aufgabe im Designstudium der Hochschule Mannheim, eine „medienübergreifende Kampagne“ zu entwickeln, „die einen Wertewandel in der Gesellschaft anstößt“. Was als Hausaufgabe begann, machten Gina Schöler und Daniel Clarens spontan zu ihrer Masterarbeit. Die beiden 26-Jährigen gründeten das Ministerium für Glück. Dass diese Masterarbeit sich verselbständigen und sie wenige Monate später auf Vollzeit einstellen würde, hatten sie nicht erwartet.

Den Grundstein für das Ministerium stellt sein Logo dar. Eine täuschend echte Nachahmung des Reichsadlers und eines schwarz-rot-goldenen Balkens. „Viele Leute denken, es gäbe jetzt tatsächlich ein Ministerium für Glück und Wohlbefinden, wenn sie unser Logo sehen“, erklärt Daniel, 26.

Der Zweck sei es, eine Debatte über das Glück in der Öffentlichkeit anzustoßen. Worin besteht unser Glück? Und was hat die Politik damit zu tun? Diese Fragen werden seit der Finanzkrise wieder lauter. Eine Flut von Mails erreiche täglich Ginas Posteingang: „Einladungen, Glückwünsche, Angebote oder einfach nur ein Dankeschön. Es gibt online eine wahnsinnige Resonanz.“ Bei Facebook hat das Ministerium 2.500 Fans. Auf der eigenen Webseite in seriösem Designergrau gibt es Informationen und Mitmach-Aktionen.

Für den Philosophen Tilo Wesche von der Universität Basel ist die Politik ganz klar mitverantwortlich für das Glück der Bevölkerung. Es mache keinen Sinn, per Gesetz kollektives Glück zu verordnen. Es sei aber Aufgabe der Politik, Raum für einen gemeinsamen Diskurs über Glück zu schaffen.

Dass Design auch ein Weg sein kann, die Glücksdebatte in die Öffentlichkeit zu bringen, zeigen Gina und Daniel mit ihrem Ministerium. Michael Volkmer, Geschäftsführer der Kreativagentur Scholz & Volkmer, sieht in seiner Branche eine Glücksdebatte kommen. „Muss es immer noch schneller, noch weiter sein?“ Prozesse müssten umdesignt werden. Unternehmen könnten weniger produzieren, indem sie neue Services anböten und damit Gewinne erwirtschafteten, die auch dem Gemeinwohl dienten. LEONIE SONTHEIMER