17. September 2024

Traut euch! Wie wir unser Vertrauen aufbauen und stärken 

Vertrauen ist essenziell für unser Wohlbefinden und Beziehungen. Es kann durch kleine Maßnahmen sowie offene Kommunikation aufgebaut und gestärkt werden. Selbstvertrauen und das Vertrauen in andere sind eng miteinander verbunden und fördern sich gegenseitig.

Ich betrete das Gebäude und werde unmittelbar 20 Jahre in die Vergangenheit katapultiert. Es ist der vertraute Geruch – eine Mischung aus vergessenen Turnbeuteln, Linoleum und Papier. Dazu die Geräuschkulisse: Lachen, das Rascheln von Rucksäcken, Kinder, die in der Ferne um die Wette rennen.. Ich rolle mit meinem Trolley voller Workshopmaterial durch die Gänge und versuche mich zu orientieren. Getränkeautomat, Overhead-Projektor, Ruheraum – bis mich endlich eine motivierte Lehrkraft begrüßt und mir hilft, den richtigen Raum zu finden. Der Stuhlkreis steht, die ersten Jugendlichen trudeln ein, unsicher und doch begeistert, neugierig, was sie erwartet. Staunend über all die kreativen Dinge, mit denen wir den Raum vorbereitet haben und erleichtert, dass bei uns alles entspannt auf Augenhöhe und per Du abläuft. Sie setzen sich, schreiben ihr Namensschild und atmen durch. Und ich schmunzle in mich hinein und bin gespannt, was und vor allem wer mich heute erwartet – in vollem Vertrauen an einen erfolgreichen Workshop.

Neben Inhouse-Events, Seminaren für Führungskräfte und den Formaten für Lehrer:innen und Schulsozialarbeitende gehören Schulworkshops für Klassen zu unserem täglichen Geschäft. Jedes dieser Events in Schulklassen ist besonders und voller Erkenntnisse, sowohl für die Jugendlichen als auch für uns. Es erfüllt uns mit Freude zu sehen, wie die Schüler:innen aus sich herauskommen, ihre eigenen Stärken erkennen und Neues wagen. Gleichzeitig erfahren wir in diesem Rahmen auch immer wieder, welche Päckchen die jungen Menschen mit sich tragen.

Während einer der Workshops war ich den Tränen nahe, denn die Jugendlichen waren sich kollektiv einig, dass es Schwäche zeigt, über Gefühle zu sprechen und sich zu öffnen. Man mache sich dadurch angreifbar, weshalb sie nicht einmal mit ihren Freund:innen über Gefühle sprechen. Das Vertrauen in alles und jede:n fehle.

Das ist jedoch nicht nur für die jungen Leute unter uns ein Thema. Auch vielen Erwachsenen mangelt es an Vertrauen, zum Beispiel in “Staat, Medien und Politik”, wie der Autor Sascha Lobo in seinem Buch “Die große Vertrauenskrise” feststellt. Es gilt also, Vertrauen kollektiv aufzubauen und zu stärken. 

Was bedeutet Vertrauen eigentlich? Woher kommt das sogenannte Urvertrauen? Und wie können wir zuversichtlicher sein – egal ob in der Jugend oder als Erwachsener? Wir haben euch einige Impulse mitgebracht.  

V wie Vertrauen

Allgemein gesprochen meint Vertrauen die Annahme, dass Situationen in unserem Leben einen positiven Lauf nehmen. Der Begriff ist zusammengesetzt aus der Vorsilbe “Ver”, die ein “resultierendes Abschließen” meint, und dem Wort “trauen”, also etwas wagen. 

Im Alltag vertrauen wir auf die unterschiedlichsten Sachen: Darauf, dass die anderen Verkehrsteilnehmenden auch die Vorschriften einhalten, dass der Supermarkt zu den angegeben Öffnungszeiten offen hat, dass der Kellner das bestellte Seitan- und kein Kalbsschnitzel serviert, oder dass sich unsere Mitmenschen an Verabredungen halten. Wir vertrauen darauf, dass unsere Partner:innen uns treu sind, dass die Politiker:innen gute Entscheidungen treffen, dass wir auch morgen noch unseren Job ausüben können.

Viele dieser Beispiele sind unbewusste Abläufe. Wir denken nicht aktiv daran “Ich vertraue, dass die Bäckerei wie immer um 7 Uhr aufmacht.”, sondern laufen direkt dorthin. Meistens kommt das Thema dann auf, wenn wir eben nicht vertrauen – sondern die Gegenteile wie  Zweifel oder Misstrauen empfinden.

So haben wir beispielsweise Erfahrungen im (Klein-)Kindalter oder in der Jugend gemacht, die unsere Zuversicht geschmälert haben. Oder wir sind im Erwachsenenalter an Situationen gescheitert, was einen ähnlichen Effekt auf uns auswirkt. Das, was wir erlebt haben, prägt unsere Sicht auf Dinge, die im Jetzt passieren. Daher hilft es zunächst, einen kurzen Blick in die Vergangenheit zu werfen: 

Ein Blick in die Anfänge: Das Urvertrauen 

Wenn man sich mit dem Thema Vertrauen beschäftigt, kommt man nicht an einem prägenden Charakter vorbei: Erik H. Erikson. Der Psychologe definierte in den 50er Jahren den Begriff Urvertrauen (zu Englisch “basic trust”), sozusagen die Mutter des Vertrauens. Dieses entsteht in der frühen Kindheit durch verlässliche Beziehungen.

Laut Erikson sind die ersten Lebensmonate entscheidend, um anderen zu vertrauen. Wir erfahren im günstigsten Falle, dass wir umsorgt werden. Also, dass wir zum Beispiel Essen bekommen, warm eingepackt werden, und soziale Kontakte um uns herum haben. Kurz, dass andere für uns da sind, da wir uns (noch) nicht selbst um uns kümmern können. Nach diesen Monaten ist dann auch unsere erste Lebenskrise überwunden – nämlich die Angst davor, verlassen zu werden. 

Ein Baby liegt schlafend zwischen einem Mann mit Bart und einer Frau mit blondem Haar. Beide Erwachsene liegen auf der Seite und blicken liebevoll das Baby an
Urvertrauen entsteht in der frühen Kindheit.

Verlässliche Beziehungen sind somit zwingend erforderlich, damit ein Urvertrauen entsteht. Heißt das nun, wenn wir als Säuglinge durch äußere Gegebenheiten kein Urvertrauen entwickeln konnten, dass sich das nicht wieder aufholen lässt? Nein, keine Sorge, Vertrauen lässt sich erlernen. Wir können beispielsweise daran ansetzen, uns selbst zu vertrauen. 

Sich selbst vertrauen – oder auch: Morgens einen Joghurt essen

Selbstvertrauen meint, sich über die eigenen Fähigkeiten bewusst zu sein und diese zuversichtlich einzusetzen. Ein Sprichwort besagt, dass Disziplin die größte Form der Selbstliebe – und somit in gewisser Weise auch des Selbstvertrauens ist. 

Der Verhaltenspsychologe Jens Corssen gab vor einigen Jahren einer seiner Patientinnen folgende Aufgabe, um zu lernen, sich selbst zu vertrauen: Sie verpflichtete sich, zwei Wochen lang jeden Tag eine gleiche Aufgabe zu erfüllen. Und so hat die Frau mit sich und Corssen vertraglich ausgemacht, jeden Tag um 8 Uhr einen Joghurt zu essen. 

Das mag zunächst ziemlich banal wirken. Die Aufgabe musste aber auch nichts Großes sein. Es ging dabei eher darum zu merken, dass sie sich auf sich selbst verlassen kann, wenn sie sich etwas vorgenommen hat. An einem Tag vergaß sie die Aufgabe fast und so rannte sie ein paar Sekunden vor 8 Uhr zum Kühlschrank und schob sich noch schnell ein paar Löffelchen in den Mund. Und als sie einmal Sonntags bemerkte, dass sie keinen Joghurt mehr hatte, fuhr sie extra spät abends zu einem Hauptbahnhof-Supermarkt, um sich den teuersten Joghurt ihres Lebens für den nächsten Tag zu kaufen. Aber sie hat ihren Vertrag nicht gebrochen – und konnte so stolz auf sich sein. 

Nun müssen wir nicht alle um 8 Uhr morgens das gleiche Ritual machen, aber wir können uns individuell überlegen, welchen kleinen Vertrag wir mit uns selbst schließen können. Wie sähe eure individuelle 14-Tage-Challenge aus? Nach dem Aufstehen ein Glas Wasser trinken? Zum Start der Mittagspause fünf tiefe Atemzüge nehmen? Vor dem Zubettgehen ein Schlaflied singen? Was ihr macht, ist ganz gleich – Hauptsache, ihr bleibt zwei Wochen dran. Je kleiner die Aufgabe, desto eher trotzt ihr eurem inneren Schweinehund. Und in einem Folgeexperiment könnt ihr dann schon mutiger werden, indem ihr euch beispielsweise festhaltet, jeden Morgen einen 15-minütigen Spaziergang zu machen. 

Wenn wir uns im ersten Schritt selbst vertrauen, fällt es uns auch leichter, anderen dieselbe Zuversicht zukommen zu lassen.

Anderen Vertrauen – oder auch: Abends auf Wolken gehen

“Vertraust du mir?” Mit diesen Worten bittet der Dieb Aladdin im gleichnamigen Zeichentrickfilm die Prinzessin Jasmin auf seinen fliegenden Teppich. Nur dadurch, dass Jasmin seine Frage mit einem “Ja.” beantwortet und sich auf Aladdin verlässt, fliegt sie mit ihm auf dem Teppich durch die Wolken.

“Mit dir auf Wolken gehn
und plötzlich sehn,
dass deine Welt
auch meine Welt sein kann.”

Wir haben gelernt, dass verlässliche Beziehungen erforderlich sind, damit ein Urvertrauen entsteht. Gleichzeitig ist Vertrauen ein wichtiger Grundbaustein, um intakte Beziehungen zu führen. Wenn wir lernen, anderen zu vertrauen, können wir dadurch auch Schritt für Schritt das Urvertrauen ersetzen und sogar Misstrauen überwinden. Doch wie gelingt uns das, insbesondere wenn wir in der Vergangenheit unschöne Erfahrungen gemacht haben und enttäuscht wurden?

Eines der wichtigsten Werkzeuge in Sachen Vertrauen ist die offene Kommunikation. Wir haben folgende Impulse dabei, die euch unterstützen können, mit anderen in einen offenen Austausch zu treten. Sie eignen sich vor allem für zwei Menschen, insbesondere für eine Partnerschaft. Sie lassen sich aber auch auf Freundschaften, familiäre oder kollegiale Beziehungen anwenden. 

  • Teilt mit anderen eure Gefühle, Bedürfnisse oder Ängste und kommuniziert offen, was ihr braucht, damit ihr euch sicher fühlt. Das mag zunächst etwas Überwindung kosten – aber ihr werdet staunen, wie sich durch eure Offenheit Türen öffnen und euer Vertrauen Schritt für Schritt wächst. 
  • Sucht regelmäßig das Gespräch, denn so lassen sich Routinen entwickeln, die wiederum das Vertrauen nachhaltig fördern. Natürlich nimmt das etwas Zeit in Anspruch, aber es lohnt sich. Nehmt euch in der Partnerschaft beispielsweise jede Woche ein bestimmtes Zeitfenster vor, in dem ihr über die Themen sprecht, die euch beschäftigen. Und natürlich ist auch mit Freund:innen ein regelmäßiger Austausch zu empfehlen. 
  • Oft haben wir Angst vor Bewertung und sind dadurch gehemmt, offen zu sprechen. Was dabei helfen kann, ist folgende Paarübung, die sich auch Zwiegespräch nennt: Jede Person hat nacheinander 10 Minuten Zeit, dem/der anderen zu erzählen, was ihn/sie gerade beschäftigt. Dabei wird nur über sich selbst gesprochen und die andere Person hört einfach zu, sagt nichts und macht auch keine sonstige Körpersprache. Nach 10 Minuten wird die Rolle getauscht und es darf nicht darauf eingegangen werden, was die Person in der ersten Runde erzählt hat. So kreiert ihr einen wertungsfreien Raum. Am Ende bedanken sich beide für das Zuhören des anderen und das Gesagte darf erst einmal sacken. 
Zwei Frauen sitzen sich an einem Tisch gegenüber und unterhalten sich. Im Hintergrund ist ein großes Fenster mit einer Stadtlandschaft zu sehen.
Wie so oft ist Kommunikation der Schlüssel.

Wenn ihr eher Typ oder Typin “Machen statt Reden” seid, könnt ihr auch folgende bekannte Vertrauensübung versuchen: Eine:r von euch steht gerade, schließt die Augen und lässt sich nach hinten fallen. Dabei verlässt sich die Person darauf, dass der/die andere sie fängt. 

Meist fällt es uns leichter, uns einer anderen Person anzuvertrauen. Aber natürlich könnt ihr die Impulse auch erweitern und in Gruppen anwenden. Ganz gleich mit wem oder wie vielen Personen ihr offene Gespräche sucht oder Vertrauensübungen durchführt: Ihr werdet euch danach leichter fühlen – fast schon so, als würdet ihr auf Wolken schweben. 

Als Vorbild in Vorkasse gehen

Damit andere uns Vertrauen schenken, hilft es, ein Vorbild zu sein und sozusagen in Vorkasse zu gehen. Wenn wir uns authentisch und verletzlich zeigen, wenn wir unsere Unsicherheiten und Emotionen teilen, lernen andere, dass sie uns vertrauen können. 

Menschlichkeit ist dabei ein zentrales Element. Wenn wir unsere wahren Gefühle und Gedanken offenbaren, schaffen wir eine Atmosphäre des Vertrauens und der gegenseitigen Unterstützung. Dadurch ermutigen wir andere, ebenfalls ehrlich und offen zu sein. Es ist diese Echtheit, die Beziehungen stärkt und ein tiefes Vertrauen ermöglicht.

An dieser Stelle möchte ich gerne auf unser neues Workshop Format für Fach- und Führungskräfte “Mut zur Menschlichkeit” aufmerksam machen. Denn in einer Zeit, die von KI, Krisen und Konkurrenz geprägt ist, wird Menschlichkeit und Authentizität immer wichtiger! Mit allen Ecken und Kanten, denn diese machen uns einzigartig, geben Halt und nur so können wir über uns hinauswachsen, alte Muster aufbrechen und eine neue (Arbeits-)Welt gestalten. Bei so viel Veränderung im Außen ist innere Struktur und Stabilität umso elementarer. Und genau darum geht es in unserem kreativen Format. Seid beim nächsten Workshop am 14. November in Köln dabei oder kontaktiert uns für eine interne Veranstaltung bei euch: Mail@ministeriumfuerglueck.de. Alle Infos findet ihr auch auf unserer Webseite:

Letztlich ist Vertrauen der Schlüssel zu starken, positiven Gemeinschaften, sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder im privaten Leben. Indem wir als Vorbilder agieren und den ersten Schritt machen, schaffen wir die Grundlage für ein vertrauensvolles Miteinander, in dem jede/r Einzelne die Möglichkeit hat, ihr/ sein volles Potenzial zu entfalten.

Kleine Maßnahmen, großes (Selbst-)Vertrauen

Zusammenfassend lässt sich sagen: Wenn ihr morgens einen Joghurt esst und abends auf Wolken schwebt, könnt ihr über eine gewisse Zeit oder Vertrauen in euch selbst und in andere aufbauen. Nun gut, so leicht ist es vielleicht nicht… zumal wir nicht wüssten, wo ihr einen fliegenden Teppich herbekommen. 😁

Vertrauen aufzubauen und zu stärken ist in der Tat ein lebenslanger Prozess – darum geht behutsam mit euch um und habt Geduld, wenn es ein wenig dauert, denn es lohnt sich! Wenn wir vertrauen, in uns selbst, in andere und darauf, dass sich alles schon zum Guten wenden wird, können wir uns im Hier und Jetzt fallen lassen und somit auch den Weg in die Zukunft ebnen. 

Die Impulse aus dem Artikel sollen euch dabei unterstützen, mit kleinen Maßnahmen an eurem Selbstvertrauen zu arbeiten und euer allgemeines Vertrauen aufzubauen und zu stärken. Wie immer gilt: Pickt euch die Ideen heraus, die euch am besten gefallen und adaptiert sie je nach euren individuellen Bedürfnissen. Und wenn ihr merkt, dass euch das Thema sehr beschäftigt oder gar belastet, weil ihr euch im Allgemeinen unsicher fühlt und euch nicht oder schwer auf andere einlassen könnt, dann scheut euch bitte nicht davor, euch Hilfe zu holen!

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