14. April 2020

Akzeptanz und Aktionismus: Das Leben ist eine Achterbahnfahrt

Kennt ihr jemanden, bei dem immer alles glatt läuft? Keine Probleme, immer gute Laune, super erfolgreich, gesund, sportlich, reich, frisch verliebt und glücklich? 
Wohl kaum. Und das ist auch ganz normal so, denn Glücklichsein bedeutet nicht, dass man ein permanent grinsendes Honigkuchenpferd sein muss, das durch eine rosa Brille die Probleme dieser Welt ignoriert – es geht vielmehr darum, eine Haltung einzunehmen, gut mit dem Bestehenden umzugehen und Beste daraus zu machen. Das Leben zu genießen und eine Art Resilienz aufzubauen, die dabei hilft, mit optimistischen Blick nach vorne zu schauen und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten aktiv zu werden. Ganz nach dem Motto: Change it, leave it or love it – vom Erdulder der Umstände zum Gestalter des Lebens zu werden.
Wie der Titel schon sagt: Das Leben ist eine Achterbahnfahrt – es gibt Höhen und Tiefen. Auch, wenn wir Menschen gerne nach dem Ultimum streben und am liebsten auf dem höchsten Gipfel der Gefühle stehen, so gehören auch die Loopings und Tiefpunkte mit dazu. Als Glücksministerin stehe ich natürlich für Themen wie Zufriedenheit, Wohlbefinden und seelische Gesundheit. Aber auch ich habe mal schlechte Laune, graue Tage und trübe Gedanken. Das eine schließt das andere nicht aus. So geht es uns allen, das ist menschlich und ganz normal – egal, wie alt man ist, welche Position man inne hat oder welcher Gehaltsstufe man angehört.

Was können wir tun, wenn es uns einmal nicht so gut geht, wenn die Tage dunkler sind, als wir es gerne hätten und wir in stürmischen Zeiten stecken? Darüber sprechen, über das, was ist, aber auch das, was sein darf. Mit einem lösungsorientierten Blick nach vorne. Auch in Krisenzeiten (oder gerade dann!) ist es wichtig, über Glück und Zufriedenheit zu sprechen, es ganz nach oben auf die Prioritätenliste zu setzen, es mit Leben füllen und es auch an andere weiterzugeben – privat und auch bei der Arbeit.

Dabei plädiere ich stets für eine Balance zwischen Akzeptanz und Aktionismus. Denn es gilt, Situationen auch erst einmal zu realisieren und sie anzunehmen ehe wir uns im zweiten Schritt dann auch Gedanken darüber machen können, wie wir im Rahmen unserer Möglichkeiten etwas aktiv tun können.
Vielleicht könnt ihr euch hiermit identifizieren, wenn ihr euch an den Frühling dieses Jahres zurückerinnert: Erst war da diese Ungläubigkeit, Trotz, Trauer um all die abgesagten Termine, Chancen und Möglichkeiten, diese seltsame Stimmung draußen, Unsicherheit, Sorgen, fragende Blicke – und dann plötzlich auf der anderen Seite erlebte ich auch so viel Wärme und berührende Solidarität, tiefere Augenblicke, herzliche Hilfsangebote, Kontakt zu lieben Menschen auf anderen Wegen, viel Kreativität und das Ausprobieren neuer Ideen. Nach dieser Schockstarre wurden so viele Menschen aktiv und haben die tollsten Initiativen gestartet, wie sie etwas beitragen können, um ein gutes und gesundes Miteinander zu fördern. Und irgendwie war parallel auch eine Art „Erleichterung“ zu spüren. Das Realisieren dessen, was wirklich wichtig ist im Leben, die in der Art noch nie erlebte Entschleunigung, nur noch kurzfristig planen zu können, diese Spontanität und langsamer tickenden Uhren, das tat vielen auch mal gut.
Diese Art zu leben und zu denken sollten wir uns beibehalten – mehr Gelassenheit und Gemeinschaftlichkeit. Das führt automatisch auch zu mehr Glück. Das sollten wir uns alle zusammen zu Herzen nehmen und mit in die Zukunft tragen.
Aktuell befinden wir uns in einer kollektiven Krise, durch die wir in eine Zwangspause geschickt wurden. Eine Ausnahmesituation, die jeden von uns unterschiedlich trifft, je nachdem wie es um unser seelisches Wohl oder familiäre und gesundheitliche Situation bestellt ist. Es ist interessant zu sehen, wie jeder mit den Gegebenheiten anders umgeht und wieder einmal der Beweis dafür: Menschen sind Individuen, jeder hat seine ganz persönlichen Charaktermerkmale, Erlebnisse und Erfahrungen, die uns geprägt haben, jeder hat sein ganz persönliches Päckchen zu tragen. So verhält es sich übrigens auch mit dem Glück. Klar gibt es ein paar “Grundnahrungsmittel” in unserem Glücksrezept, die uns satt machen und am Leben erhalten, aber darüber hinaus ist es Geschmackssache, welche Zutaten und Gewürzmischungen euch schmecken und wie ihr eurem Leben “das gewisse Salz in der Suppe” beifügt. Ich möchte meine Arbeit an dieser Stelle als Appetitanreger sehen, euch Lust machen, mal etwas Neues zu kosten, andere Rezepte auszuprobieren, die Geschmacksnerven zu kitzeln und tolle Menschen an die lange Tafel namens Leben einzuladen. Lasst euch inspirieren und bedient euch an dem bunten Bauchladen der Möglichkeiten, nascht mal hier und mal dort und werdet letztlich zu eurem eigenen persönlichen Chefkoch/köchin!

Kommen wir zur aktuellen Situation zurück:
Viel zu oft waren wir mit Vollgas und auf der Überholspur unterwegs, haben wir uns nun plötzlich von heute auf morgen im Leerlaufmodus wiedergefunden. Wir sind mehr oder weniger zum Stillstand und damit öfters auch zum Nichtstun gezwungen. Diese im wahrsten Sinne lange Weile kennen wir gar nicht mehr – sie lässt uns auch unsicher und hilflos fühlen. Unsicherheiten erfahren wir auch im Bezug auf die Zukunft, auf unsere Gesundheit und das gesamte Wirtschaftssystem.
Auf der anderen Seite gibt es viele Menschen, die gerade an ihre Grenzen kommen, die unglaublich viel parallel gewuppt bekommen müssen: Um den Job bangen, Finanzen regeln, Home Schooling und Kinderbetreuung, Beruf mit dem Familienleben kombinieren, Angehörige pflegen, systemrelevante Berufe haben gerade soviel zu tun wie nie zuvor, sind körperlich und seelisch belastet. Das ist unfassbar viel!
@Schrngg (Max Scharnick, Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung) bringt hierzu absolut treffend auf den Punkt: “Mich seit Wochen gefragt, warum ich so gestresst und erledigt bin. Heute gedacht: Es ist gar nicht, dass so viel zu tun wäre, sondern weil so viel auszuhalten ist.”
Was können wir tun, wenn die äußeren Umstände uns massiv einschränken und wir nicht wirklich von glücklichen Zeiten sprechen können?
Über das Glück sprechen! Und es nicht aus den Augen verlieren, sondern jetzt erst recht anpacken und loslegen!
Auch wenn es auf den ersten Blick etwas verrückt erscheint, so brauchen wir das Glück gerade in diesen Phasen mehr denn je. Vor allem ist es wichtig, dieses mit Leben zu füllen und auch andere daran teilhaben zu lassen. Lebensfreude trotz oder gerade wegen den Tiefen in unserem Leben zu behalten ist sicherlich nicht immer einfach, aber es lohnt sich!
Und ein paar Tipps und Tricks können dabei helfen, den Blick zu schärfen und das Positive zu sehen.
Ich habe die letzten Monaten zwei Strategien für mich entdeckt, die mir recht gut halfen, mit allem klar zu kommen. Vielleicht ist für euch auch etwas dabei:

1. Alles ist im Fluss: Akzeptanz
Häufig denken wir, dass wir unser Leben kontrollieren können, denn immerhin planen wir unseren Alltag haargenau und das wiegt uns in Sicherheit. Das Leben an sich lässt sich allerdings nicht planen: Es passieren immer wieder unvorhergesehene Dinge, es kommt oft anders als (oder wenn?) wir (zuviel) denken, daher ist alles sowieso immer im Wandel.
Genau dies gilt es zu akzeptieren und nicht dagegen anzukämpfen.
Insbesondere wenn wir in schwierigen Situationen stecken, die sich nicht ändern lassen, tun wir gut darin, diese erst einmal anzuschauen und anzunehmen, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Hierbei spricht man auch von „radikaler Akzeptanz“. Das bedeutet, dass wir uns nicht gegen ungewollte Ereignisse auflehnen und sie nicht zwanghaft versuchen zu verändern. Das kann erleichternd wirken und Druck rausnehmen. Erst wenn wir loslassen und uns nach dem Fluss des Lebens richten, statt gegen ihn anzuschwimmen, können wir uns entspannen und Raum für Neues schaffen.
Ganz im Sinne des Wu Wei, was soviel bedeutet wie “Handeln durch Nichthandeln”, gilt es Krisen zu realisieren, in ihnen ankommen und sie annehmen, ohne gegen sie anzukämpfen. 
Nicht zu verwechseln mit Ohnmacht oder Lethargie!
Ministerialer Buchtipp: Wu Wei von Theo Fischer

Des Weiteren ist es wichtig, uns unsere Gefühle anzuschauen, sie zu akzeptieren und uns nicht dafür zu verurteilen.
Gerade in herausfordernden Zeiten durchleben wir alle möglichen Gefühle, von Trotz über Wut bis hin zu Trauer. Wir besitzen eine große bunte Palette an Emotionen und wir dürfen alle zulassen, denn sie alle haben ihre Daseinsberechtigung und sind wichtig für uns und unsere Entwicklung. Lasst uns also durch diese Zeiten gehen mit allem, was dazu gehört: Mit all unseren Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen.
Das bedeutet nicht, dass wir uns erduldend allem hingeben, mit den Schultern zucken und uns alles egal ist, aber eine gewisse Form von Geduld und Gelassenheit tut uns allen gut.

ÜBUNG: Wie kann Akzeptanz im Team oder im Freundeskreis oder der Familie thematisiert und bearbeitet werden?
Indem wir darüber sprechen, wie es uns wirklich geht und Einblick darüber gewähren, was wir gerade brauchen und was uns gerade zu schaffen macht. Nehmt euch hierfür regelmäßig 10 Minuten Zeit, jeweils einen Zettel und einen Stift und beantwortet folgende drei Fragen:
• Wie fühlst du dich heute?
• Was beschäftigt dich, das in deinem Handlungsspielraum liebt und was du aktiv ändern kannst?
• Was beschäftigt dich, das du nicht ändern kannst?
Versucht hierbei pro Frage lediglich 2 Minuten in euch hineinzuhorchen und intuitiv die Sachen aufschreiben, die euch in den Kopf kommen – sei das privat oder beruflich. Am Ende können ein bis zwei Personen ihre Gefühle und Bedenken preisgeben und man selbst für sich ein bisschen Frieden mit sich selbst und seinen Gedanken – zumindest für diesen Moment – schließen.
Generell tut es in turbulenten Zeiten gut, bestehende Gedanken und Gefühle zu dokumentieren. Vielleicht ein guter Zeitpunkt, mal wieder ein Notizbuch zu zücken? Ob ihr daraus ein Gefühls- oder ein Dankbarkeitstagebuch macht, Erlebtes aufschreibt oder Pläne schmiedet, das ist ganz euch überlassen.

2. Glück für uns und andere: Aktionismus
Mindestens genauso wichtig wie Herausforderungen zu realisieren und sie anzunehmen ist es auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie man aktiv etwas für das Gute tun kann. Hier geht es nicht darum, dass jeder von uns große Heldentaten vollbringen muss, sondern jeder darf im Rahmen der eigenen Möglichkeiten mit persönlichen Stärken und Fähigkeiten zum persönlichen Wohlbefinden und dem der anderen beisteuern. Es sind schließlich oft die kleinen Dinge, die die größte Wirkung haben.
Zunächst ist es wichtig, dass wir gut für uns selbst sorgen, um Energie zu tanken, die uns für stürmische Zeiten wappnet. Das tun wir, indem wir genau in uns hinein hören, liebevoll mit uns umgehen, unsere eigene Gesellschaft genießen und uns bewusst etwas Gutes tun:
Das kann sein, indem wir unser Lieblingsessen kochen, ein warmes Bad nehmen, einen langen Spaziergang in der Natur machen oder die Musik laut aufdrehen und dazu tanzen. Schreibt euch hierfür beispielsweise eine Ta-Da-Liste, anstatt eine To-Do-Liste, mit all den Dingen, die ihr viel öfters in euren Alltag integrieren wollt. Aktivitäten und Nicht-Aktivitäten, die euch glücklich machen.
Wenn wir uns gut um uns selbst kümmern, können wir auch gut für andere sorgen und ihnen helfen. Sich selbstlos um andere zu kümmern, steigert auch die eigene Zufriedenheit – nicht umsonst heißt es “Glück verdoppelt sich, wenn man es teilt”.

Schaut in euch hinein: Welche Themen treiben euch um? Was fasziniert euch? Wo liegen eure Stärken? Welche Talente und Leidenschaften habt ihr, die ihr mit anderen teilen könnt?
Malt ihr gerne? Ihr könnt gut vor anderen Menschen sprechen? Seid sportlich oder könnt hervorragend kochen?
Versucht diese Sachen miteinander zu verknüpfen und eurem Wunsch für die Welt durch eure Leidenschaft einen Schritt näher zu kommen. Wie könnte das aussehen? Spinnt mal ein bisschen und seid kreativ! Ich bin gespannt, was dabei herauskommt!
Und das Beste daran ist: Eure Ideen und Aktivitäten könnt ihr auch teilen, um euch gegenseitig zu inspirieren und zu motivieren! Oftmals ergeben sich hierbei Parallelen, die ihr davor niemals erahnt hättet – oder wusstet ihr, dass eure Vorgesetzte Kitesurferin ist oder euer Nachbar das beste Zitronensouffle zaubern?
Schaut euch einfach in eurem Umfeld um und fragt euch, wie ihr euch um andere kümmern könnt:
Dem Kollegen bei der Arbeit helfen? Den Eltern beim Einkauf unterstützen? Der Nachbarin eine liebe Nachricht hinterlassen oder dem Verkäufer ein Lächeln schenken (auch mit Gesichtsmaske gut möglich, lasst eure Augen leuchten)?
Unsere Mitmenschen steigern nicht nur unser Wohlbefinden, indem wir uns um sie kümmern, sondern sie können uns auch dabei helfen, unsere Energiereserven aufzutanken. Dafür müssen wir uns einfach gezielt mit eben den Menschen umgeben, die uns Energie schenken – und das ist auch mit “Physical Distancing” möglich.
Fragt euch hierbei: Welche Personen tun mir gut? Bei wem kann ich ganz ich sein? Und bei wem fühle ich mich richtig wohl?
Umgebt euch gerade in Krisen genau mit diesen Menschen, tauscht euch mit ihnen aus und unterstützt euch gegenseitig. Mit den Lieblingsmenschen kann man offen reden, gemeinsam schweigen, weinen und natürlich auch lachen. Und gerade Humor ist wichtig im Umgang mit widrigen Umständen:
Wir dürfen auch oder gerade dann albern sein und das Leben nicht so ernst nehmen. Da hilft mir gerade mein fast zweijähriger Sohn sehr. Sein Lieblingsspielzeug ist eine rote Clownsnase. Die darf ich zu jeder Tageszeit aufziehen. Da kann die Weltlage, der Haussegen oder meine Stimmung noch so schief hängen, mit einer roten Nase im Gesicht ist alles halb so schlimm. Probiert es aus!
Auch oder gerade in Krisenzeiten geht es also um das Glück. Wir können dieses auf der einen Seite aktiv selbst gestalten und andere damit anstecken; dürfen andererseits aber auch einmal nur sein, nicht handeln, nicht funktionieren müssen und die Leerlaufphase durchleben oder gar genießen.

Das Leben annehmen, wie es kommt, alle Gefühle willkommen heißen, Selbstfürsorge betreiben, Teil des großen Ganzen sein, Glück an andere weitergeben, uns mit Lieblingsmenschen umgeben und bei allem den Humor nicht verlieren – all das hilft uns dabei mit den Herausforderungen, die das Leben bereithält, umzugehen.

Die Möglichkeiten, das Glück in stürmischen Zeiten zu finden und weiterzugeben sind so vielseitig und individuell wie wir selbst. Und gerade wenn es zwischenmenschlich mal hakt, weil viele von uns gerade am Limit und die Nervenkostüme daher aktuell etwas dünn sind: Unsere Bedürfnisse ähneln sich – wie zum Beispiel Wertschätzung, Anerkennung, Liebe, Sicherheit oder Ruhe – aber unsere Strategien, diese zu kommunizieren und vor allem zu erfüllen, könnten unterschiedlicher nicht sein.

Seid also geduldig und verständnisvoll mit euch und anderen. Seid neugierig, experimentierfreudig und kreativ, wie ihr das Wohl von euch und euren Mitmenschen steigern könnt!
Letztlich geht es um eine gesunde Balance zwischen Akzeptanz und Aktionismus, das bewahrt unsere Lebensfreude auch in den Phasen, in denen das Leben mal wieder einen Looping macht und alles Kopf steht. Denkt dran: Wir holen nur Schwung! Es geht wieder aufwärts!

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