30. April 2023

Hand aufs Herz: Gefühle spüren, annehmen und loslassen

Unsere Gefühlswelt ist einfach einzigartig. Erfahrt hier, wie wichtig unsere Emotionen sind und wie wir lernen können, sie anzunehmen und auch wieder loszulassen. Viel Freude – und allerlei anderer Gefühle – bei dieser spannenden Entdeckungstour!
Gefühle annahmen und loslassen

Heute wird kaum eine Nachricht über Email, Instant Messaging, SMS oder sonstige (digitale) Kanäle geschrieben, ohne dass ihr ein Emoji angehängt wird. Durch diese drücken wir aus, was wir bei einer Nachricht empfinden; sie betonen unsere Gefühlslage und ersetzen manchmal ganz und gar die Textnachricht: Ein lachendes Gesicht, wenn wir etwas lustig finden; eins mit Träne, wenn wir über etwas traurig sind oder ein rotes, wenn es in uns brodelt. 

Es scheint so einfach mit den digitalen Zeichen Gefühle wie Freude, Heiterkeit, Überraschung, Trauer, Angst, Ekel und so weiter auszudrücken. Auch im analogen Leben sind Gefühle unsere ständigen Begleiter. Doch so einfach, wie sich eines der Smileys auszusuchen, ist es hier nicht. Wir haben eine riesige große Palette an Gefühlen in uns. Diese zu benennen, erkennen und vor allem sie auch anzunehmen, stellt uns manchmal vor eine Herausforderung – gerade wenn es um Gefühle geht, die wir nicht so gerne haben. Wir investieren viel Zeit darin, um bestimmte Emotionen zu spüren und andere zu vermeiden. Dabei wären wir viel glücklicher, wenn wir statt dem Vermeiden von vermeintlich schlechten Gefühlen einfach alle annehmen, wie sie sind. Klingt paradox? Ist es keinesfalls! Denn alle Gefühle gehören zu uns und machen uns aus – auch wenn sie uns manchmal überfordern!

Und ich bin mir sicher, dass wir alle schon Momente im Leben durchgemacht haben, die uns aus der Bahn geworfen haben. Schicksalsschläge, die sich anfühlen wie eine Abrissbirne durchs Paradies. Auch ich habe das schon erlebt und wurde von einer ganzen Wucht an Emotionen gepackt und durchgeschüttelt. Ungläubigkeit, Trauer, Wut, Hoffnung, Freude, Enttäuschung – Im Sekundentakt hat sich meine Stimmungs- und Gefühlslage verändert und mir aufgezeigt, was da alles in mir schlummert. In diesen Momenten wurde mir klar, wie riesig die Palette an Gefühlen ist und ich habe angefangen, ein Gefühlstagebuch zu schreiben. Das half mir damals, wieder an Struktur zu gewinnen und mich selbst besser kennenzulernen und zu verstehen. Vor allem half es mir aber, anzuerkennen und anzunehmen, was ist – egal ob positive oder negative Emotionen, alles gehört zu solch einem Prozess und somit zu mir dazu.

Seitdem fasziniert mich dieses Thema und ich lerne und staune immer wieder, wie wir unseren Gefühlen noch mehr Raum geben können. Ein täglicher Reminder in meinem Leben ist mittlerweile vier Jahre alt und durchlebt jeden Tag mindestens eine Achterbahnfahrt quer durch die Gefühlswelt: Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Kinder haben so ungefilterte und pure Emotionen und das finde ich sehr inspirierend. Sie durchleben ganz authentisch mit allem, was dazu gehört, was sie gerade fühlen, um dann im nächsten Moment weiterzuziehen und sich ins nächste Abenteuer zu stürzen.

Ich möchte euch gerne zeigen, wie wichtig unsere Emotionen sind und wie wir lernen können, sie anzunehmen und auch wieder loszulassen. Lasst euch ein auf die Erkundungstour und seid euch sicher: Die Erforschung unserer Emotionen ist ein echtes Abenteuer.

Von Schmetterlingen und Angsthasen 

Rein sachlich betrachtet werden Gefühle als psychische Reaktionen verstanden, die sich beispielsweise in Freude oder Angst ausdrücken können. Sie entstehen durch bestimmte Reize, die unser Körper ganz individuell verarbeitet. Das bedeutet, dass wir Gefühle nicht einheitlich definieren können, sondern dass sie sehr subjektiv empfunden werden. 

Stellen wir uns vor, zwei Menschen gehen spazieren und bestaunen die schöne Wiese um sie herum. Auf einer Blume entdecken die beiden einen Schmetterling, der unterschiedliche Gefühle auslöst: Bei der einen Person einen Freude (“Oh, was für ein schöner Schmetterling”) und bei der anderen anderen Angst auslöst, da sie an Lepidopteraphobie, also an Schmetterlingsphobie, leidet. Ein und dieselbe Situation – ganz unterschiedliche Reaktionen. Das zeigt, dass Gefühle nicht nur eine Reaktion auf äußere Reize sind, sondern immer auch von der individuellen Beurteilung.

Gefühl wird oft synonym zum Begriff der Emotion verwendet, der aus dem lateinischen Wort “emovere”, also “herausbewegen”, abgeleitet wird. Aus dieser Umschreibung wird eine wesentliche Eigenschaft von Gefühlen deutlich, nämlich dass sie uns erregen und in eine spezifische Richtung bewegen. Wie beim Auftauchen des Schmetterlings: In Person A kommt Freude auf, sie lächelt vielleicht und fühlt sich wohl. Daneben bekommt Person B ein beklemmendes Gefühl, hat vielleicht erhöhtes Herzrasen und bleibt ganz starr stehen oder läuft sogar schnell weg. Das Beispiel ist sehr plakativ, soll aber verdeutlichen, wie unterschiedlich unsere Gefühle und die damit verbundenen Reaktionen sind. Unsere emotionalen Zustände werden meistens auch körperlich spürbar. Wir lachen, wenn wir uns freuen; wir weinen, wenn wir traurig sind; wir haben “Schmetterlinge im Bauch”, wenn wir uns verlieben. 

Durch Metaphern, Bilder und Vergleiche versuchen wir mit unserer rational konstruierten Sprache, Gefühle zu beschreiben. Sind wir verärgert, verwenden wir Redewendungen, wie “das treibt mich auf die Palme”, ich “koche vor Wut”, oder “ich mache meinem Zorn Luft”.  Beim Verliebtsein haben wir die besagten  “Schmetterlinge im Bauch” oder “Schweben auf Wolke sieben”. Uns “geht ein Licht auf”, wenn wir eine Erkenntnis haben, wodurch wir ein Gefühl wie Staunen empfinden. Wir sind “blau vor Neid”, wenn wir anderen etwas nicht gönnen, etwas haben wollen, was andere haben oder eifersüchtig sind. Wir werden als “Glückspilz” bezeichnet, wenn uns viele gute Dinge zu fliegen oder als “Angsthase”, wenn wir uns vor etwas fürchten. Indem wir Gefühle mit solchen oder ähnlichen Ausdrücken beschreiben werden sie für uns etwas greifbarer. 

Jedes unserer Gefühle hat eine wichtige Funktion und erfüllt einen bestimmten Zweck. Lange ging die Forschung davon aus, dass wir sechs Basisemotionen haben, nämlich Angst/Furcht, Freude/Glücksgefühl, Trauer/Traurigkeit, Ärger/Wut, Scham/Ekel und Überraschung. Diese wurden in Studien erweitert, unterschiedlich kategorisiert und benannt. Egal für welche Theorie oder welches Modell aus der Emotionsforschung man sich entscheidet, eins steht fest: wir haben eine riesengroße Palette an Gefühlen. Sie sind in uns drin und gehören zu uns – doch wie entstehen sie eigentlich?

Ich mach mir die (Gefühls)Welt, wie sie mir gefällt

Bevor das Wort “Gefühl” in der Neuzeit konstruiert wurde, hat sich “Fühlen” eigentlich auf körperliches Tasten bezogen. Erst im 17. Jahrhundert wurde es immer mehr auf unsere seelischen Empfindungen bezogen, die körperlich spürbar sind. In diesem Sinne ist auch noch unklar, wie Emotionen genau entstehen. Zittern wir beispielsweise, weil wir Angst haben? Oder haben wir Angst, weil wir zittern? Diese Unterscheidung trennt, was zusammengehört, denn Gefühle verbinden unsere körperlichen Reaktionen mit mentalen Zuständen. Auch wenn sich die Forschung in dieser Hinsicht noch uneinig ist, so steht fest, dass bestimmte Teile unseres Gehirns, wie verschiedene Neurotransmitter, aktiv sind, wenn wir Gefühle erleben. Unser Gehirn empfängt Signale über unsere Umwelt und verwendet diese, um emotionale Reaktionen zu steuern: So haben manche von uns beispielsweise Flugangst. Aber nicht, weil sie beim Start Vibrationen spüren, sondern weil sie in den Nachrichten von Abstürzen lesen und sie an die Vibration daran erinnert. Durch solche Vorgänge scheint es zunächst, als seien wir unseren Emotionen ausgeliefert, da diese instinktiv durch unser Gehirn gesteuert werden. 

Dennoch haben auch wir ein Wörtchen mitzusprechen und haben eine gewisse Kontrolle über diese automatischen Vorgänge. So spielen unsere eigenen Gedanken eine große Rolle bei der Erschaffung von Emotionen. Wir nehmen unsere emotionalen Zustände oft als willkürliche Empfindungen wahr, die unserem Unterbewusstsein entspringen. Dabei entstehen sie erst durch ein Zusammenspiel unserer Gedanken mit der Umwelt. Je nachdem, wie wir unsere Gedanken interpretieren, kommen auch unterschiedliche Gefühle hoch. Wenn wir unsere Gedanken nun umstrukturieren, gewinnen wir Kontrolle zurück: Wir können auf Situationen anders reagieren, wodurch andere Empfindungen in uns ausgelöst werden. 

Bei dem Schmetterlingsbeispiel kann zwar zunächst instinktiv Angst aufkommen, aber wir können diesen Angstimpuls auch genau anschauen und mit positiven Gedanken (“Es wird mir nichts passieren. Der Schmetterling hat größere Angst vor mir, als ich vor ihm.”) entgegenwirken und uns dadurch beruhigen. Wir sind uns dessen oft nicht bewusst, dass wir unsere Gefühle zum Teil selbst erschaffen und dadurch auch in gewisser Weise kontrollieren können. Dabei hilft es, wenn wir uns von unseren Gefühlen distanzieren. Zwar beschreiben wir unsere Gefühlslage oft mit einem Seinszustand (“Ich bin ängstlich, fröhlich, wütend, überrascht”), aber im Prinzip SIND wir nicht unsere Gefühle, sondern wir HABEN Gefühle. Sie sind wie unsere Gedanken auch ein Teil von uns, den wir aber gut von außen beobachten und so auch annehmen oder loslassen können. Wären wir unsere Gedanken, könnten wir nicht über sie nachdenken. Und wären wir eines unserer Gefühle, können wir kein anderes wahrnehmen. Wir sind also mehr als unsere Gedanken und Gefühle – wir sind konstante Beobachtende und sogar Gestalter:innen unserer sich immer veränderten Gedanken- und Gefühlswelt. Also probiert es mal aus: Sagt das nächste Mal nicht: “Ich bin sauer.” sondern verbindet es vielleicht sogar auch mit einem Körperempfinden: “Ich fühle mich gerade sauer, mir schnürt es die Kehle zu, weil…” Das wirkt gleich ganz anders – bei einem selbst und auch beim Gegenüber!

Was uns eine positive Grundeinstellung bringt

Wenn unser Denken unsere Gefühle bestimmt, dann tragen wir in der Tat einen großen Anteil daran, wie wir uns fühlen. Beim Aufwachen können Gedanken aufkommen wie “Heute habe ich aber gar keine Lust zur Arbeit zu gehen. Mein Chef ist in letzter Zeit total angespannt. Außerdem hat meine Kollegin meinen Geburtstag vergessen, worüber ich sehr enttäuscht bin.”

Diese (unbewussten) Gedanken lösen bestimmte Gefühle in uns aus, wie Unlust, Anspannung, Enttäuschung. Wir können uns aber aktiv dafür entscheiden, diese Gedanken mit Distanz zu betrachten und somit auch andere Gefühle in uns auszulösen. (“Ich bin zwar heute nicht motiviert, zur Arbeit zu gehen, aber mal schauen, was der Tag für mich bereithält. Meinen Chef werde ich darauf ansprechen, dass er sehr angespannt wirkt und ihn fragen, ob ich ihm Arbeit abnehmen kann. Und auch meine Kollegin werde ich fragen, wie es ihr gerade geht. Vielleicht hat sie gerade viel um die Ohren und deswegen auch nicht an meinen Geburtstag gedacht.”). Durch das Steuern unserer Gedanken können wir auch unsere Gefühlsregungen beeinflussen. 

Da positive Emotionen unser Wohlbefinden steigern, ist es zunächst einleuchtend, dass wir unsere Gedanken dahingehend steuern sollten, dass sie zum Vorschein kommen. Es geht uns gut, wenn wir beispielsweise Hoffnung, Freude, Liebe, Inspiration oder Überraschung in uns tragen. Angenehme Emotionen sind wertvoll, weil wir sie schlicht und einfach genießen. Sie zeigen uns auf, dass alles gut ist und wir zufrieden sind. Positive Gefühle sind recht instabil, da sie von unseren Gedanken abhängig sind (Fredrickson, 2011). Unser Kopf ist oft gefüllt mit Zweifeln, Ängsten und Sorgen, sodass der Platz für die schönen Dinge fehlt. Daher brauchen wir ausreichend positive Gefühle, um psychisch gesund zu sein. Die Psychologin Barbara L. Fredrickson vergleicht das mit gesunder Ernährung: Durch das Essen eines Brokkoli im Jahr werden wir nicht gesund, aber wenn wir ihn und andere Gemüsesorten regelmäßig verzehren, haben wir einen Großteil zu unserer Gesundheit beitragen (Fredrickson, 2011). Und so erhält uns auch das regelmäßige Erleben von angenehmen Gefühlen psychisch gesund. Durch positives Denken und eine positive Grundeinstellung können wir viel selbst dazu beitragen, uns gut zu fühlen. Der Schlüssel hierbei liegt darin, aufrichtig zu sein! Keinem, und am wenigsten uns selbst, ist geholfen, wenn wir mit aufgesetztem Lächeln und einer rosaroten Brille durch die Welt laufen. Negative Emotionen sollten wir nicht hinter unserer Maske verbergen, sondern ihnen, wenn sie da sind, auch den nötigen Raum geben. 

Und auch wenn wir immer wieder auf Negatives im Leben stoßen werden, so haben wir es in der Hand, Positives zu schaffen. Unsere Gefühle sind weder rein genetisch bedingt noch das Ergebnis des lieben Zufalls, sondern sind stark auf unsere eigenen mentalen Gewohnheiten und täglichen Aktivitäten zurückzuführen – und diese können wir aktiv ändern.  

All Feelings are welcome – vom Annehmen aller Gefühle 

Wir alle kennen den Song “Don’t worry, be happy” von Bobby McFerrin. Der Grundgedanke hinter der Aussage “Mach dir keine Sorgen, sondern sei glücklich” impliziert, dass wir durch eine positive Einstellungen auch unsere Stimmung heben können. Das stimmt soweit und ist eine wichtige Erkenntnis. Aber mindestens genauso wichtig ist, dass wir alle unsere Gefühle, die positiven wie die negativen, willkommen heißen sollten. Jede einzelne Emotion in uns hat ihre Daseinsberechtigung und spielt eine große Rolle für unsere persönliche Weiterentwicklung. Wir tun uns selbst nur Gutes, indem wir lernen, sie alle wahrzunehmen und anzunehmen – auch oder gerade die, die wir nicht so gerne mögen. Wer ist schon gerne traurig, besorgt, neidisch oder wütend? Gegen solche Regungen wollen wir oft ankämpfen, sie ignorieren und sie am liebsten unter den Teppich kehren, wo sie keiner mehr sehen kann. Doch solche (Verdrängungs- und Vermeidungs-)Strategien funktionieren, wenn überhaupt, nur auf sehr kurze Sicht. 

Eine weit verbreitete Kritik an der Positiven Psychologie ist es, dass diese nur dem Positiven nachginge und Negatives, so auch negative Emotionen, nicht berücksichtige. Doch das ist weit gefehlt, denn auch wenn diese Forschungsrichtung sich viel mit positiven Gefühlen, ihrem Entstehen und der Förderung dieser auseinandersetzt, so erkennt sie doch auch negative Regungen als einen wichtigen Teil von uns Menschen an, den wir nicht verdrängen sollten. 

Unsere Palette an Gefühlen ist riesig.

Es geht also nicht darum, immer Freude zu empfinden oder weniger Schmerz zu haben, sondern darum, jedes einzelne Gefühl willkommen zu heißen, anzunehmen und zuzulassen. Denn unsere Emotionen bestehen durch ein Auf und Ab: Wir kennen Freude nur, weil wir auch Trauer empfinden. So entsteht ein wichtiges Gleichgewicht! Wir sind ganz normale Menschen und haben einfach auch mal einen schlechten Tag – na und? Anstatt darüber zu grübeln, was wir tun können, um nicht mehr schlecht drauf zu sein, sollten wir auch diese Seiten von uns annehmen und mit einem Augenzwinkern den Herausforderungen des Lebens entgegentreten. Zu verstehen, welche Gefühle wir fühlen, hat viel mit Achtsamkeit zu tun. Wir können auf der einen Seite also ganz achtsam darauf achten, was wir fühlen. Im nächsten Schritt können wir uns aber auch ganz achtsam Verhalten – und dadurch unsere Gedanken und Gefühle kontrollieren. 

Tipps im Umgang mit Gefühlen

Gefühle begleiten uns tagtäglich – diese wahr- und auch anzunehmen ist nicht immer einfach. Wir alle verfügen über eine große Bandbreite an Gefühlen. Es ist bewiesen, dass glückliche Menschen es verstehen, ihre Gefühle auszudrücken. Sind Menschen nun glücklicher, weil sie ihre Gefühle spüren und annehmen oder können Menschen ihre Gefühle spüren und annehmen, weil sie glücklich sind? Wie auch immer: Es scheint eine große Verbindung zu bestehen zwischen dem Umgang mit unseren Gefühlen und unserem Wohlbefinden. Als Glücksministerin kann ich diesen Zusammenhang natürlich nicht ignorieren und möchte euch daher gerne ein paar Tipps im Umgang mit Gefühlen auf den Weg geben: 

Am Anfang war das Wort.

Viele haben Probleme damit, ihre Gefühle genau zu beschreiben. Ihnen fehlen die Worte, um ihr Inneres nach außen zu tragen. Hier dürfen wir uns vom Perfektionismus lösen: Wir müssen nicht mit den aufwändigsten und detailliertesten Worten unseren Gefühlen Ausdruck verleihen. Wir sollten uns nicht zu sehr auf die richtige Beschreibung der Emotionen konzentrieren, als darauf, was sie in uns auslösen. Man kann beispielsweise damit anfangen, das Gefühl als körperliche Reaktion zu beschreiben: Mir ist mulmig im Magen, ich habe ein Kribbeln im Bauch, mein Herz schlägt schnell. Worauf könnten diese Anzeichen hindeuten?

Versucht dann, euer Basisgefühl zu beschreiben und euch anschließend am breiten Wortschatz von Adjektiven zu bedienen, um das Gefühl zu umschreiben. Dabei kann das sogenannte Rad der Gefühle helfen, auf welchem die Basisemotionen weiter unterteilt werden. So kann man sein Glücksgefühl weiter aufdröseln in zufrieden oder vergnügt sein; oder seine Trauer in bedrückt oder niedergeschlagen sein. Indem wir unsere Gefühle immer wieder beschreiben und üben, hierin präziser zu werden, fällt es uns zunehmend leichter, diese in Worte zu fassen, aber auch sie zu spüren und anzunehmen.

Hier kann ich jedem “Ein gutes Gefühl” von “Ein guter Plan” empfehlen. Es handelt sich dabei um ein Achtsamkeitstagebuch für Kinder. Für Kinder? Ja, aber keineswegs ausschließlich! Hier werden Gefühle als kleine Monster dargestellt, einfach beschrieben und zugänglich gemacht. Dieses Tagebuch hilft sehr dabei, seine Emotionen besser kennenzulernen – nicht nur für die Kleinen unter uns. 

Schreiben für die Seele.

Sich aufzuschreiben, was einen beschäftigt und wie man sich aktuell fühlt, ist eine einfache und doch sehr wirksame Methode, sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen. Wenn man sich positive Gefühle stärker vor Augen führen will, kann man beispielsweise ein Glückstagebuch schreiben. Ganz gleich, ob man sich für kurze Bulletpoints, Zitate, Kurzgeschichten oder Tagebucheinträge und ganze Romane entscheidet: wer seine Gedanken und Gefühle auf Papier bringt, setzt unglaubliche Kräfte frei. Das Schreiben hilft uns, gedankliche Abläufe zu strukturieren, zu sortieren und auch zu analysieren. Dadurch können wir unsere Emotionen verstehen und einen tiefgreifenden Sinn erkennen. Aufschreiben verhilft also zu einer emotionalen Klarheit. Und das Schöne ist: Jeder kann schreiben, denn hier gibt es kein Richtig und kein Falsch: Ihr macht eure eigenen Regeln! Es darf aufgeschrieben werden, was euch in den Sinn kommt, ohne auf Fehler zu achten oder bestimmten Richtlinien zu folgen. 

Bilder sprechen mehr als Worte.

Wenn es mit dem Beschreiben oder Aufschreiben nicht so gut klappt, können Bilder wahre Wunder bewirken. Versucht, eure Gefühle zu visualisieren, indem ihr beispielsweise ein wütendes Gesicht, eine fröhliche Familie, ein Unwetter oder Sonnenschein malt. Was bei negativen Gefühlen gut funktioniert, ist, diese durch lustige Zusätze zu entschärfen. So kann man dem wütenden Gesicht einen großen Hut oder eine Clownsnase anmalen. 

Neben dem Aufmalen ist auch das Basteln eine schöne kreative Methode, um Emotionen auszudrücken. Mit manchen Motiven verbinden wir ganz spezifische Empfindungen. Sich das im wahrsten Worte vor Augen zu führen, kann im Umgang mit diesen helfen. Bastelt eine Fotocollage, ein Vision- oder Moodboard. Lasst eurer Kreativität freien Lauf und staunt, wie befreiend es sein kann, sein Inneres auszudrücken. 

Alle meine Freunde.

Auch ein einfacher und doch wirkvoller Trick im Umgang mit Gefühlen ist, ihnen Namen zu geben. Klingt kindisch? Ist es vielleicht auch. Aber wie schon zu Anfang erwähnt, haben Kinder die Fähigkeit, ihre Emotionen einfach so ungefiltert rauszulassen – und da können wir uns eine große Scheibe von abschneiden. 

Es fällt uns oft schwer, unsere Gefühle zu benennen, was zu negativen Verstärkungen dieser führen kann. Unseren Emotionen Namen zu geben, gibt uns eine gewisse Sicherheit und tut uns daher gut. Erst wenn wir sie benennen, geben wir ihnen eine Form, werden sie für uns greifbarer. Wie wäre es zum Beispiel mit diesen: Der wütende Wolfgang, der neidische Norbert, die fröhliche Friederike? Wenn das nächste Mal Wut in dir hochkommt, dann begrüße den wütenden Wolfgang wie einen alten Freund. Nimm ihn an, gehe wohlwollend mit ihm um, aber schenke ihm nicht zu viel Aufmerksamkeit. Wenn mehrere Gefühle gleichzeitig in dir hochkommen, kannst du dir Wolfgang, Norbert, Friederike oder wie sie heißen, auch als dein inneres Team vorstellen. In der Beobachterrolle schaust du einfach nur zu, wie sie diskutieren, unterschiedliche Standpunkte einnehmen und hoffentlich zu einem friedlichen Konsens kommen. 

Die Atmung als Spiegel der Gefühle.

Wie wir atmen, hängt stark mit unserem Befinden zusammen. Wir holen freudig Luft, wenn uns eine liebe Person überrascht, wir atmen erleichtert auf, wenn wir die Prüfung bestanden haben oder halten den Atem an, wenn wir ängstlich sind. Unsere Gefühle beeinflussen also unsere Atmung – aber auch umgekehrt können wir durch Atmung unsere Gefühle beeinflussen. 

Bewusstes, tiefes Atmen lässt unsere Gefühle besser wahrnehmen. Wenn wir beispielsweise merken, dass Wut in uns aufkommt, wir angespannt werden und unsere Atmung schnell und flach wird, kann die sogenannte Neutralatmungs-Übung Aushilfe verschaffen: Dabei atmen wir mindestens dreimal ganz tief und langsam ein und wieder aus und achten dabei darauf, dass unser Körper entspannt bleibt. Dadurch versetzen wir uns wieder in einen “Neutralzustand”. So verhindern wir, dass sich belastende Gemütszustände wie Angst verhärten. Es geht also nicht darum, die emotionalen Zustände zu ignorieren, sondern dafür zu sorgen, dass sie den Körper nicht chronisch unter Stress setzen. Durch die Atmung können wir uns entspannen.

Von Genussmenschen und Beobachter:innen. 

Wir können richtige Genießer:innen sein: Den ersten Biss vom selbstgekochten Essen zelebrieren, im Garten liegen und die Sonne auf den Bauch scheinen lassen oder eingekuschelt den Schnee durch das Fenster beobachten. Und so sollten wir auch unsere Gefühle willkommen heißen und feiern! Klingt verrückt, dass wir eine unangenehme Erregung wie Wut genießen sollten? Probiert es aus! 

Versucht euch das nächste Mal, wenn ihr wütend seid, aus der Situation herauszunehmen und eine Beobachterrolle anzunehmen. Betrachtet die Wut von außen und versucht euren Blickwinkel zu ändern, indem ihr vielleicht denkt: “Durch diese ganze Wut krampft sich mein Bauch zusammen und mein Herz rast wie wild. Warum macht mich das alles so wütend?”. Indem ihr zum Beobachtenden werdet, distanziert ihr euch von der Wut, wodurch ihr sie annehmen und später auch loslassen könnt. Spürt genau in den Teil eures Körpers hinein, wo die Wut sitzt und fokussiert euch für eine Zeit darauf. Das ist nicht leicht, aber ein wichtiger und vor allem heilsamer Prozess des Annehmens und Loslassens. Und dann seid dankbar für diese Erfahrung und vielleicht könnt ihr das sogar genießen. 

Für ein kreatives und individuelles Gefühlsmanagement 

Ich habe einmal gelesen, dass Wissenschaftler:innen, die sich der Positiven Psychologie widmen, Emojis und Smileys absolut nicht leiden können, da diese eine zu große Leichtigkeit im Umgang mit unseren Gefühlen und somit auch mit dem Etablieren einer positiven Lebenseinstellung suggerieren. Außerdem bergen sie wohl ein enormes Potenzial für Missverständnisse. Testet das mal aus und fragt eure Familie oder Freunde, was für sie der eine oder das andere Emoji bedeutet – ihr werdet staunen und entsetzt sein, wie weit das Verständnis auseinandergehen kann! 

Klar ist: Sich mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen ist nicht immer leicht. Im Gegenteil: Dieser Prozess geht mit einer ordentlichen Portion Anstrengung einher und verlangt viel Achtsamkeit, Authentizität und Aufrichtigkeit. Und dennoch lohnt es sich und zahlt sich auf so vielen Ebenen unseres Lebens positiv aus! Indem wir unseren Gefühlen Gehör schenken, ihnen Raum bieten und ihnen Ausdruck verleihen – egal, ob mündlich, bildlich, schriftlich oder auf einem anderen Weg – lernen wir uns im Annehmen und so auch im Loslassen. Das Schlimmste, was wir mit unseren Emotionen machen können, ist, sie zu ignorieren. Sie lösen sich nicht in Luft aus, wenn wir sie unterdrücken, sondern kommen stärker hervor – das trifft vor allem auf die unangenehmen zu. Daher ermutige ich euch dazu, euch eure Gefühle anzuschauen und auf Entdeckungstour zu gehen! Das Erforschen der eigenen Stimmungen ist ein echtes Abenteuer, von dem wir unglaublich viel lernen können. Mit welchen Methoden ihr euch euren Emotionen annehmt, ist ganz euch überlassen. Gestaltet euch euer eigenes kreatives Gefühlsmanagement, kombiniert unterschiedliche Ansätze und ergänzt sie mit euren eigenen Erfahrungen und Vorlieben. 

Ihr wollt euch mehr mit Emotionen – insbesondere der Wirkung von Positiven – beschäftigen? Dann lege ich euch die Bücher “Die Macht der guten Gefühle. Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert” von Barbara Fredrickson und “Besser Fühlen: Eine Reise zur Gelassenheit” von Dr. Leon Windscheid sehr ans Herzen. Ich wünsche euch viel Freude – und allerlei anderer Gefühle – bei dieser spannenden Entdeckungstour. 

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